Mittwoch, 31. Oktober 2012

Wir Protestanten

Heute ist Reformationstag und das heißt, wie jeder weiß: das ist der Tag, an dem Luther seine 95 Thesen an der Tür der Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen hat (haben soll). Leider wird as von den Historikern neuerdings in Frage gestellt, obwohl es zum essentiellen Bildungskanon unserer Gesellschaft gehört. Nun gut. Hier im Saarland wird nicht der Reformationstag, sondern der morgige Allerheiligen gefeiert. Da sei dann Tanzen verboten.
Darüber nachzudenken, was es heute bedeutet, Protestant zu sein, ist am heutigen Tage besonders gerechtfertigt und auf dem Hintergrunde der Säkulargesellschaft, die alles erlaubt und keine Tabus mehr kennt (zu kennen glaubt), kann es nur förderlich sein, Luther, zumal in der Lutherdekade (bis 2017) zu gedenken. Die vier "Soli" Luthers, weithin unbekannt, könnten dabei helfen:

soli gratia (nur durch Gnade)
solus christus (nur durch Christus)
sola fide (nur durch den Glauben)
sola scriptura (nur durch das geschriebene Wort; die Bibel)

Es gibt keinen anderen Weg zu Gott, als durch diese vier.
Das sollten wir Protestanten uns immer vor Augen halten, wir, die wir es ja nicht vermögen, heute den Inhalt und Gehalt unseres Glaubens öffentlich verständlich zu machen, zumal andere Werte (sic) in der Alltagswelt gelten, Konsum nämlich, Schnelligkeit und Vergessen. Hedonismus eben. Nun war Luther kein vollständig abgehobener und einzelgängerischer Mensch, glaubt man den Zeitzeugen, er war vielmehr gesellig, liebte das Lied, die Musik und das Leben und sprach vom Apfelbäumchen, das zu pflanzen gerade dann nötig ei, wenn die Welt demnächst unterginge.
Wir heute könnten darin das Wesentliche Luthers erkennen, diese Geradlinigkeit und Freude am Leben bei gleichzeitiger Demut und Gelassenheit, Gnade empfangen zu können, auch und gerade wenn man "Sünder allzumal" sei, und nicht durch Ablass oder Beichte (aber das ist ein anderes Thema) oder durch die Sakramente der katholischen Kirche.
Stattdessen bemühen wir uns, durch die fragwürdige Bereitschaft unserer Kirche zur Ökumene, d.h. beide Kirchen zusammenzuführen, eine Art Speichelleckerei der modernen Art zu vollführen, die der katholischen Kirche gerade mal ein kleines mokantes Lächeln ablockt, aber nicht wirklich ein Aufeinanderzugehen signalisiert. Diese Kirche hat sich nicht wirklich verändert, liebe Leute! Dafür steht schon der Ratzinger.
Mehr Protest, liebe Protestanten! Mehr eigenständige Wertschätzung und weniger Unterwerfung.

Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir.

Das wäre mein Wunsch an uns Protestanten am Reformationstag.

Freitag, 12. Oktober 2012

Friede in Europa?

Nun hat, überraschend für alle, die sich in der letzten Zeit nur mit der europäischen Krise herumschlugen und auch für die, die es immer besser wissen wollten, hat das Nobel-Komitee der EU den Friedensnobelpreis verliehen.
Klar, alle diese schrecklichen Eurobürokraten, die freuen sich jetzt unbändig, und halten ihre bekannten Sonntagsreden, doch können die am wenigsten für diesen Preis die Garanten sein.
Adenauer, Mitterand, Brandt, Schmidt, Kohl, die hatten wenigstens teilweise die nötigen Visionen, die dann in dieses Über-Gebilde EU mündeten.
Eines stimmt aber: als Einrichtung einer Staatengemeinschaft kommt die EU für diesen Preis mit dem Suffix "Frieden" in Frage. Sie hat als übrig gebliebener Träger der europäischen Idee zu fungieren, die nun seit 1945 für Frieden in den Europäischen Grenzen gesorgt hat. Das ist Fakt. Es gab sie also einst, die Idee von einer Gemeinschaft ohne Ressentiments. Ja, aber...
Leider muss dieser Wein doch mit Wasser versetzt werden:
Denn heute haben wir statt einer politischen Union eine Wirtschaftsunion. Diese ist der grandiose Gegenentwurf zu einer gesamteuropäischen humanistischen Idee, denn sie setzt auf die materiellen Werte des Kapitalismus und sorgt schon jetzt für nicht enden wollende soziale Unruhen in den bekannten südeuropäischen Ländern. Ja, diese Union hat wieder zu einer Trennung geführt, diesmal Nord gegen Süd. Und diese Trennung hat polarisiert, trägt den Kern den Unfriedens in sich.
"Stirbt der Euro, stirbt Europa", dieser denkwürdige Satz unserer Kanzlerin ist das entlarvendste Zeugnis europäischer Perversion. Für mich ist das ein Schlag in das Gesicht der noch so unfertigen Idee des politischen Europa. Ja, diese Union hat den sozialen Frieden in Europa in Gefahr gebracht; sie ist nicht wirklich des Friedensnobelpreises würdig - nur haben wir nichts anderes. Die europäische Idee kann nur der eigentliche Träger dieser Würde sein, nur der Idee kann der Preis gewidmet sein.
So ist diese Verleihung auch weniger eine Belobigung der Eurokraten, nichts weniger als das, sondern sie ist als Signal für die zu verstehen, die sich mit der Idee einer Europäischen Gemeinschaft als eines neuen humanistische Ideals unter den Bedingungen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, aber auch der Ehre und des Anstandes untereinander identifizieren können. Dafür kann der Preis Stimulus sein. Vielleicht gibt es bald eine Art Urburschenschaft für diese Idee, so wie 1817, 1832 und 1848...