Die WELT hat heute einen merkwürdigen Aufmacher: sie läßt ihren Hauskolumnisten Broder sagen: "Nicht ganz dicht, aber ein Dichter" und meint damit den Schöpfer der "Blechtrommel". Der soll in einem Gedicht unter anderem (!) gesagt haben:
"Doch warum untersage ich mir, jenes andere Land beim Namen zu nennen, in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten – ein wachsend nukleares Potential verfügbar aber außer Kontrolle und keiner Prüfung zugänglich ist?"
Ist er deshalb nicht ganz dicht? Mal abgesehen davon, dass das gegenüber einem unserer geistigen Mitgestalter grob ungehörig ist, trifft Grass damit eine zwar politisch unkorrekte Grundaussage über Israel, die von allen den Politikern und den Medien, die hier Hand in Hand arbeiten, unter dem Teppich der schamhaften Verschwiegenheit gehalten wird.
Aber sie stimmt völlig. Israel hat eine Atombombe, die unkontrolliert und unbeaufsichtigt als Angriffswaffe in einer hochbrisanten Region vorgehalten wird. Nur: niemand spricht darüber, und die Öffentlichkeit wird gelenkt auf ein Szenario, in dem nicht Israel sondern der Iran die Hauptrolle des Bösen zu spielen scheint. Nur - von dem ist bisher nicht bewiesen, dass dessen Atomprogramm friedlichen Zwecken dient (wahrscheinlich nicht), aber von Israel verschweigt man zwar die Existenz einer Waffe, doch jeder weiss, dass es sie gibt - und die dient sicher nicht friedlichen Zwecken.
So what? Grass nicht dicht? Grass ein verdeckter Antisemit? In Deutschland wird Kritik an Israel fast reflexartig mit Antisemitismus gleichgesetzt. Das ist auf dem Hintergrund der Geschichte der Naziverbrechen erklärbar, aber nicht entschuldbar. Israel ist ein Staat wie jeder andere, will es auch sein, selbst wenn er in der Region im Streit steht, und muss sich wie jeder andere Staat Kritik gefallen lassen.
Klar ist auch: Wir Deutschen sind Freunde Israels, und der Staat Israel ist als Staat unverzichtbar. Freunde aber dürfen und müssen kritisieren.
Aber wir sind Meister des Verschweigens sachlicher Zusammenhänge, und Broder sollte wenigstens das akzeptieren.
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