Freitag, 10. Februar 2012

Demenz

Talkshows machen vor nichts halt.
Wenn ich Alzheimer höre, schreckt mich das, mehr aber erschreckt mich der Umgang mit dieser privaten und bisher unheilbaren Erkrankung in der Öffentlichkeit, sprich in den Talshows. Die kriegen sich ja gar nicht mehr ein vor thematischer Zuneigung. Das schwankt zwischen weinerlichem Sympathiegehabe und erhobenem Zeigefinger, zwischen Trauer und Quote. Man macht heute öffentlich, was man lieber privat erledigen sollte. Man diskutiert in Talkshows (ekelerregend), wie eine so üble Krankheit erlebt wird und nennt das einen (erwünschten) Tabubruch. Dann jedoch geht man wieder zur Tagesordnung über - und der Pflegenotstand bleibt bestehen. "Schuldenkrise" is better to talk of.
Unsere Gesellschaft neigt dazu, das Private vollständig in die Öffentlichkeit zu zerren. Das nennt man wohl Allgemeininteresse, doch in Wahrheit ist es Voyeurismus, denn es ist damit die heimliche Zufriedenheit verbunden, dass es einen (noch) nicht oder dass es wieder den anderen getroffen hat. Es ist allerdings klar, dass die Altersdemenz eines der wichtigsten Themen für Gesellschaft und Medizin in der nahen Zukunft sein wird. Mich stört aber die Medienhype um dieses ernste Thema. Die ist bestürzend, entlarvend und typisiert unsere Gesellschaft, die nicht mehr auf Würde und Distanz, sondern nur noch auf Machbarkeit und Ich-Darstellung setzt. Natürlich bekommt dieser für mich unbekannte Assauer Geld für Buch und Auftritte. Gönne ich ihm. Spendet er es für Demenzkranke und bessert er damit die desolate Situation für Demenzkranke in den Heimen?
Andererseits wirkt diese gleiche Gesellschaft merkwürdig distanziert und abgehoben. Ich nehme als Beispiel die Grussformeln. Schon lange ärgert mich dieses unverbindliche "Hallo" als Ersatz für einen menschlichen Gruß wie z.B. "Guten Tag"; das signalisiert, dass man den andern Menschen ernst nimmt. "Hallo" ist unverbindlich und beliebig - und unterscheidet diese Grußformel nicht von den Talkshows. Auch sie sind unverbindlich und beliebig, und dass da über Alzheimer mit dem Gestus der unersetzlichen Information diskutiert wird (Illner gestern), ist kein Gegenargument.
Da ist die Sendung 37Grad sicher besser: denn da heißt es:
"Aber jeder kann sich allein mit den Zitaten Assauers ein Bild davon machen, wie es ist, wenn das Altern zu einer so schweren Bürde wird und das Gefühl der Ohnmacht auf Seiten der Medizin so offen daliegt. Alzheimer wirkt da auf die meisten von uns vermutlich noch bedrohlicher als Krebs. Bei Letzterem ist in vielen - und immer mehr Fällen - noch berechtigt, von Hoffnung zu sprechen. Bei Alzheimer jedoch, dieser zerstörerischen Krankheit des Geistes, geht es noch immer nur darum, bis zum bitteren Ende die Würde nicht zu verlieren."
Darum geht es: um Würde...

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