Montag, 4. Februar 2013

Kriegsverbrecher Röchling und das Saarland

Das ist ja eine merkwürdige Überschrift dieses Blogs, wird der Leser meinen. Denn der Name Röchling ist auch im "Reich" durchaus positiv besetzt, als Industrieller, der Kohle und Stahl an der Saar groß machte, als Initiator von Sozialleistungen für "seine Arbeiter", und nicht zuletzt als Namensgeber für einen in den 60ern nicht unbekannten Fussballverein ("Röchling-Völklingen") und für die "Hermann-Röchling-Höhe", eine 1300-Seelen-Siedlung auf einer Anhöhe, ca. 500 m üNN. Vielleicht weht da oben ja jene Art sauberer Gipfelluft, die die Abgehobenheit und "heitere Gelassenheit" der dortigen Bürger im derzeitigen Namensstreit in Völklingen mit begründet.
Was ist bisher denn eigentlich geschehen?
2000 entdeckte der Spiegel die Zusammenhänge, dass ein Großindustrieller und Kriegshetzer namens Röchling neben Hitler immer noch Ehrenbürger der Stadt Völklingen und Namensgeber der "Bouser Höhe" sei. Er habe die Misshandlung von Zwangsarbeitern in einem werkseigenen KZ zugelassen und diese im Stahlwerk ausgebeutet.
Eine Bürgergruppe fand aber erst 2011, dass die Namensgebung der "Hermann-Röchling-Höhe" ein großer geschichtlicher Fehler sei. Man ehre damit nicht einen Wohltäter der Stadt, sondern einen ausgewachsenen Kriegsverbrecher, sogar abgeurteilt und verwahrt, denn das sei dieser Hermann Röchling. Dann gab es natürlich eine Gegeninitiative der Bürger und Bewohner dieser Höhe, die sich mit 95% natürlich gegen jede Änderung aussprach. Der Stadtrat sah das anders - im Juni 2012 - und beschloss eine Bürgerbefragung, die jedoch nie stattfand; warum, konnte der Bürger aus den Presseverlautbarungen leider nicht entnehmen. Stattdessen beschloss der gleiche Stadtrat im Januar 2013 mit den Stimmen der SPD, die sich vorher lautstark dagegen ausgesprochen hatte, eine Umbenennung in "Röchlinghöhe", um den "Hermann" wegzubekommen und dafür der Familie mit ihren "unstrittigen Verdiensten um die Stadt" zu gedenken. Die SPD hatte nämlich im Juni 2012 noch dafür votiert, den Stadtteil in "Bouser Höhe" - so hieß er vorher - wieder zurückzubenennen. Insoweit fiel die SPD da richtig um. O Genossen. Immerhin stand der Stadtrat richtig unter Druck, weil sowohl seriöse Historiker wie auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden im Saarland sich gegen den gegenwärtigen Zustand ausgesprochen hatten. Und Demos vor der Rats-Sitzung sowie auf der Höhe fanden ebenso statt. Da war also Druck im System.
Das ist etwa der gegenwärtige Sachstand.
Was soll man sagen? Der Name muss weg!!
Die Entscheidung, die nun getroffen wurde, ist mehr als halbherzig, denn sachlich gesehen ist die Familie im Nazireich auch als Ganzes dem Unrechtsstaat verfallen gewesen, und zudem kann jeder, der will, auch weiter den "Hermann" hinzufügen, oder sich das wenigstens denken.
Abgesehen von der Geschichtlosigkeit und Borniertheit einer solchen politischen Entscheidung, auch der meiner Genossen, kann man ablesen, wie heute noch, 80 Jahre nach der "Machtübernahme" 1933, mit Nazigeschichte umgegangen wird. In den Köpfen vieler ist immer noch Verdrängen und Schweigen die Hauptreaktion. Zwar sind die Bürger da oben in einer Altersgruppe, die noch Reste alten Denkens vermuten läßt ("Nicht alles war schlecht damals"), doch wird ja dieses Denken auch an die Jugend weitergegeben, die zwar nicht mehr direkt Schuld auf sich geladen hat, die aber eben auch nicht vergessen darf, was damals an horrendem Unrecht geschah. So gesehen, ist der Vorgang hier in Völklingen, in der tiefen Provinz, ein schlimmes Beispiel für die immer noch ewig Gestrigen, immer immer noch wirksam Tätigen in unserer Gesellschaft. Sollte man mit Brecht sagen: "der Schooß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch"?

1 Kommentar:

G. Hennersdorf hat gesagt…

In einem Bericht der Sendung Kontraste vom 7.2.2103 kam die ganze verquaste, aber typische Diskussion nochmals heraus und der Vorschlag des Reporters, eine erklärenden Zusatztafel unter Beibehaltung des Namens anzubringen, war eine gute Idee, die allen gerecht wird. Warum nicht? Das kann man als Geschichtsbewältigung werten. Aber ist der Zug der Gewissensversenkung nicht schon abgefahren?