Ja wenn man das wüßte...
Unsere politische liberale Szene zerlegt sich gerade...
Der historische Begriff hat dem Wortsinne nach mit Freiheit zu tun, also einer menschlichen Grundbedingung, die - besonders heute - nicht unbedingt an eine politische Partei gebunden sein muss. Freiheit ist aber immer Freiheit für, nie von etwas - also für die Unterdrückten, die Entrechteten, die Armen, die Benachteiligten, aber nicht Befreiung von den Grundrechten oder der Würde des Menschen. Liberal ist also zuallererst sozialliberal, und daher wichtig und unverzichtbar.
Jede der heutigen politischen Parteien würde sich mit aller Macht wehren, nicht mit dem Begriff der Freiheit in Verbindung gebracht zu werden. Und wie steht's mit unseren Liberalen?
Heute wollen diese "Liberalen" gerade diesen Begriff für sich und ihr Parteiprogramm zwar beanspruchen, aber sie haben sich, wie es scheint, auch gründlich dabei verheddert.
Grundsätzlich ist politischem Liberalismus einerseits eine gewisse Staatsfeindlichkeit, andererseits der berühmte Individualismus eigen, den man gewiss manchmal auch mit Eigennutz und Egoismus umschreiben kann. Diese letzteren Eigenschaften sind für den Bürger aber heute auch synonym für den ausbeuterischen Egoismus der "entfesselten" Märkte, die heute unsere Wirtschaft bestimmen und die den an sich schon widersprüchlichen Begriff "Wirtschaftsliberalität" in Verruf gebracht haben. Diese Märkte (wer ist das überhaupt? Stumme und gesichtslose Kolosse, aus einem dunklen Hintergrund agierend…) wollen sich von allem befreien, was mit verlässlichen (Freiheits-)Werten zu tun hat.
Jetzt rufen die Liberalen plötzlich nach einer Regulierung dieser Märkte, was natürlich ohne den "Staat" nicht geht. Selbst wenn der klassische Liberalismus nicht auf den Staat als Ordnungsmacht verzichten konnte, ist das für die heutigen Politiker ein Widerspruch. Regulierung ist Eingriff, ist Dirigismus, ist zumindest im Ansatz auch Planwirtschaft… Aber sie wollenn es ja nicht wirklich, Brüderle sei Dank.
Liberalismus ade?
Jetzt die andere Seite: Auch Eintreten für Bürgerrechte gehört unverzichtbar zum (links-)liberalen Denken. Hier setzt nun der Sozialdemokrat an und meint, dass diesen (menschlichen) Bürgerrechten der moderne Neoliberalismus, der ja das Etikett der "Liberalen" ist, nicht gerecht wird. Der geriert sich eher als ungerecht, menschenverachtend und vorteilsbedacht.
Also einerseits Staatsunmut, andererseits Ruf nach dem Staat, einerseits Bürgerrechte, andererseits Verzicht auf Gerechtigkeit… Heute ist liberal eben nicht sozialliberal!
Diese unlösbaren Widersprüche - sind sie vielleicht die Ursache für die selbstzerstörerische Wut, der sich die FDP derzeit befleißigt? Da kann keine Boygroup und kein Rücktritt was ändern; diese jungen Kerle, was wissen die schon von der Historie des Liberalismus? Diese Partei hat sich von der sozialen Komponente des Liberalismus der 70er Jahre, als Schmidt noch mit Genscher koalieren konnte, zugunsten eines einseitigen Wirtschaftsliberalismus völlig entfernt. Diese Auffassung von Liberalismus begründet auch die Nachteile, die jene Staaten haben, die sich Geld besorgen müssen und das nur über hohe Zinsen erreichen können. Die Frage, warum die heutigen Staaten soviel Geld brauchen, ist dabei nicht berührt, doch hängt sie auch mit der Frage zusammen, ob unser ausgeprägtes Konsum- und Versorgungsdenken nicht auch eine Folge des neoliberalen Mainstreams ist.Und da scheint der Neoliberalismus eine der Ursachen für die hohe Staatsverschuldung zu sein, die die gegenwärtige Krise verursacht hat.
Liberalismus ade? Nein: Back to the roots is needed...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen