Freitag, 1. November 2013

Der Vettel-Altar

Man ist ja leider gezwungen, auch Sportsendungen mit anzusehen, selbst wenn man ein Antipode des andauernden medialen Sportorgasmus ist. 
Da aber sah ich nun vorgestern den Formel-I-Weltmeister Vettel (der mit seinem dümmlichen Lächeln), wie er sich vor seinem Auto auf die Knie warf, sich in den Dreck neigte und offenbar Staub frass, und das mit Lust. Leider dürfte diese intellektuelle Interpretation für jenen ziemlich unergiebig sein, sodaß ich sie mir hier auch erspare…
Es war aber eine hochaktuelle Geste, die hier bildhaft (wie heute praktisch alles) in Szene gesetzt wurde - mit zeitgenössischem Symbolcharakter: die neuen Altäre unserer Anbetung sind eben die Autos, sind die wirtschaftlichen Sünden-Ablasser und Sündenverursacher, die neuen goldenen Kälber eben. 
Das alles ist ja nicht neu. Aber dieses Bild ist es wert, dass man kurz innehält und über dessen so naiven Wahrheitsgehalt zu sprechen versucht. Bilder sind immer auch Wertevermittler, schon immer, und immer auch umstritten und verflucht. Im Islam z.B. ist es nicht gestattet, bildhaft auf Gott hinzuweisen, statt dessen haben sie diesen ungeheuren, auch verstörenden Ornamentsturm in ihren Moscheen. Dass sich Vettel vor sein (leider stehendes) Auto wirft, ist bildhafte Gegenwahrheit also. So ist eben unsere Welt voller Symbole. Mitterand und Kohl in Verdun ebenso wie Willy Brandt in Warschau. Also auch Vettel und was er da transportiert. Mit und ohne Luther oder diesen Bischof da aus Limburg.

Da nimmt es nicht wunder, dass gleichzeitig die Hysterie über diesen Bischofsskandal von Limburg die architektonische Schönheit des neuen "Bischofssitzes" einschließlich einer freistehenden Badewanne (na sowas!) als unwürdigen Fehltritt multimedial vermarktet, von Bild über Welt und SZ Klar. Der Bischof, der muss weg. Hat er doch 31 Mio. Euro dafür ausgegeben ("verschwendet"). Am besten die ganze katholische Kirche weg, die ja auf sowas von Reichtümern hockt, mein Lieber, da kann man, ja muss man Bild einfach lesen und lieben.
Der mediale Urstrom dieser 4. Gewalt (über die auch nachzudenken sich lohnen würde) fegte ihn, den Bichof, als Wert einer ganz anderen Kategorie hinweg, über die man kein Verständnis mehr aufzubringen habe. Denn wir haben ja andere Altäre (s.o.). Dabei, dies nur als Nebenbemerkung: ein anderer Bischofssitz, in München glaube ich, verschlang 130 Mio.!!
Gut, der Vatikan und sein Papst haben sich klug und antimedial verhalten und den Bischof aus der Schusslinie, wie man heute auch sagt, genommen. Das sage ich als Protestant - wohlgemerkt. Prunk ist katholisch. Aber wie man mit ihm umgeht, kann auch einen Protestanten auf die Palme bringen. Wird man nun die Kosten für die Barockkirche von Birnau, den Kölner Dom oder die Kathedrale von Reims auch aufrechnen und die Bauherren von damals "hinwegfegen" (etwa aus der Erinnerung)? Das beträfe dann die ganze katholische Kirche, und nicht nur die…

Da bin ich doch froh, dass wir Protestanten solche Baudenkmäler kaum vorzuweisen haben. Hexenverbrennung von heute das ganze, der Vergleich drängt sich mir auf. Oder schlimmer - Progromdenken…

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